The House of the Dead: Overkill: Review von Man Behind The Sun (Schnittberichte.com) (2024)

Wer meine kleine persönliche Geschichte zu diesem Test überspringen will, kann nach der Markierung unten weiterlesen.

-------------

Ungarn 1997: Ich stehe zusammen mit meiner Familie bei einem abendlichen Spaziergang vor einer Arcade-Halle. Einer Arcade-Halle!!! So etwas kannte ich zwar aus der Theorie, durfte diese aber aus Gründen meines damals noch recht jugendlichen Alters von 14 Jahren nicht betreten. Also: Sofort rein da, die Eltern werden überredet, nein, genötigt, und können gar nicht anders, als mit meinem Bruder und mir diese heilige Halle zu betreten.

Der erste Automat, der sofort ins Auge sticht, hat zwei blaue Plastik-Pistolen. In der Demo werden aus der Ego-Perspektive Zombies ist Stücke gerissen.

Trotz der Bedenken meiner Eltern, werden gleich ein paar Forint locker gemacht und in den Automaten geschmissen. Ich nehme die Pistole in die Hand… und lege los. Und muss von meinen Eltern von diesem Automaten regelrecht losgerissen werden, um nicht die ganze Nacht dort zu verbringen und mein gesamtes Urlaubsgeld auf den Kopf zu hauen.

Deutschland 1999: Seit Weihnachten bin ich stolzer Besitzer einer Sega Dreamcast. Neben den obligatorischen Klassikern wie „Soul Calibur“ und „Crazy Taxi“ kratze ich mein gesamtes Taschengeld zusammen und bestelle mir über eine Zeitschrift eine Lightgun samt „The House of the Dead 2“. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich auch dieses Mal wieder von meinen Eltern mit ständigen Tiraden von der Konsole gerissen werden musste.

Wer jetzt denkt, was für Eltern ich hatte, die mich solche bösen Ballerspiele haben spielen lassen; lasst es einfach. Ich habe mein Abitur gemacht, bin nicht Amok gelaufen und bin heute Anwalt. Also alles gut gelaufen, auch, wenn ich aus heutiger Sicht Kritiker gut verstehen könnte, und meinem Neffen so etwas bis zum 18. Lebensjahr nicht zeigen würde. Vielleicht, aber auch nur vielleicht würde ich es ihm aber auch nicht verbieten, wenn er aus Zufall mal ein solches Spiel auf dem Rechner oder Konsole entdecken würde und dieses ausprobieren wolle…

--------------------

Warum diese Einführung? Nun, ich hatte im Laufe meiner Kindheit so gut wie jede Konsole samt PC zum Zocken zur Verfügung gehabt.

The House oft he Dead“ war insofern eine Offenbarung, als dass man zu Hause, ohne sein gesamtes Vermögen in einen Automaten zu verprassen, dieses geniale Spiel spielen durfte und konnte.

Nachdem ich heute im Zuge meiner Konsolen-Sammlung noch zu faul war, mir einen Röhrenfernseher zu kaufen, um diese Spiele wieder genießen zu können, bin ich auf die „Nintendo Wii“ gestoßen.

(Die "Wii"-Version bildet die Grundlage des Tests; es gibt auch eine "PS3"-Version, die mit dem "Move Controller gesteuert werden kann.)

Hierzu ein kleiner Exkurs: Die damalige Lightgun-Technik an der „Dreamcast“ und der „Playstation“ gab Lichtsignale an den Fernseher ab und konnte durch deren Verarbeitung die Zielvorrichtung erkennen. An heutigen LCD-Fernsehern funktioniert diese Technik nicht mehr, da dieses Lichtsignal keinen Weg zur Röhre findet und somit quasi im Nichts landet.

Hier schaffen die „Nintendo Wii“ oder die "Playstation 3" Abhilfe; bei dieser wird an den Fernseher eine Sensorleiste angebracht. Der Controller in Form einer Fernbedienung sendet per Infrarot-Signal diese an die Sensorleiste, sodass es egal ist, welche Art von Fernseher man zum Zocken benutzt.

Neben Remakes von „The House of the Dead II und III“ hat „Sega“ Nachschub gebracht und mit „The House of the Dead: Overkill“ (im Folgenden nur noch THOTD OK genannt) einen neuen Teil der kultigen Lightgun-Shooter für das neue Jahrtausend geschaffen.

1. Die Handlung:

Angelehnt an die Grindhouse-Filme der 70er Jahre werden ein aalglatter AMC-Agent (was auch immer das sein mag) und ein afro-amerikanischer Detective als einen Mix aus Buddy-Komödie, Action, Horror und Splatter in das Geschehen geschickt.

Das Spiel bietet zum Anfang lediglich einen Story-Modus, der sich in mehrere kurze Missions-Kapitel einteilt. Jede Mission wird durch einen reißerischen Titel und genialen Handlungs-Sequenzen ein- und ausgeleitet.

Mit „Genial“ meine ich, dass ich selten eine witzigere, liebevollere Hommage an den Grindhouse-Film gesehen habe; „Agent G“, ein „Rookie“, sachlich und allzeit einen kühlen Kopf bewahrend, und sein „Buddy“ Detective Washington, dessen Sprache in „f*cks“ und „Motherf*ckers“ quasi ertrinkt, werden durch eine trashige, teils abartige und vor allem fesselnde Geschichte gejagt, wobei vor keinem Tabu Halt gemacht wird, dabei aber niemals die Grenze zur Geschmacklosigkeit überschritten wird. Zwar kann man bei ein oder zwei Szenen durchaus die Augenbrauen hochziehen, wenn beispielsweise ein Rollstuhlfahrer zu einem hässlichen Endgegner mutiert, doch sind diese Story-Elemente dermaßen überzeichnet, dass man einfach nur lachen kann und man den Entwicklern solche „Tabu-Brüche“ gerne verzeiht.

Im Laufe der Handlungen werden hauptsächlich Zombies niedergeschossen (oder besser: zerfetzt) und diverse Mutanten zur Strecke gebracht, jeweils immer in einer anderen Location, beispielsweise einem Krankenhaus oder einem Vergnügungspark.

Die Charaktere sind allesamt vollkommen überzeichnet, die Story tut dem keinen Abbruch.

Man könnte hier eine komplette Kritik allein zur Story des Spiels verfassen; so viele Anspielungen und liebevoll eingebrachte Extras finden sich in dieser.

2. Die Grafik:

Neben unglaublich blutigen Splatter-Effekten bietet die Grafik-Engine typisch für die Anfänge der „Nintendo Wii“ eine relativ geringe Auflösung, die noch nicht einmal das „HD-Ready“ in Form von 720p auf den Bildschirm bringt. Dies merkt man leider. Die Grafik ist aufgrund ihrer niedrigen Auflösung vor allem auf den heutigen Riesen-LCDs verwaschen, aber dennoch ansehnlich.

Nimmt man diesen Punkt aus heutiger Sicht in Kauf, bietet sich eine für damalige Verhältnisse sehr gute Grafik-Pracht, die das System der „Wii“ bis zum Anschlag bringt. Das merkt man u. A. daran, in Szenen, in denen eine Vielzahl von Zombies und Effekten auftauchen, die Frame-Rate rapide absinkt und das Bild zu ruckeln beginnt. Das ist glücklicherweise nicht ständig der Fall. Es liegt aber klar auf der Hand, dass die Entwickler alles aus der Konsole herausgeholt haben, was diese technisch hergibt.

Die Grafik ist ganz nach alter Grindhouse-Manier in einer schmutzigen Zelluloid-Fassung gefiltert und bietet somit das Feeling, sich in einem solchen Film zu befinden.

3. Der Soundtrack

Obwohl ich nicht der Typ bin, der großartigen Wert auf den Sound legt, muss man bei THOTD OK den stimmigen, ins Ohr gehenden Soundtrack hervorheben, in dem sich Jahrmarkts-Musik mit stimmigem Country-Western-Style abwechseln.

Die Vertonung der Charaktere ist für ein Spiel allererste Güte. Ich habe selten ein so liebevoll synchronisiertes Spiel gespielt.

4. Das Spielprinzip:

THOTD OK ist ein – wie soll es auch anders sein – Lightgun-Shooter. Gesteuert wird mit der Wii-Fernbedienung und dem sog. „Nunchuck“. Bei diesem Spiel handelt es sich um einen „Railroad-Shooter“; einer Unterkategorie der Lightgun-Shooter, bei der man automatisch durch das Szenario geführt wird. Die alleinige Aufgabe des Spielers ist es, aus der Ego-Perspektive mit verschiedenen Waffen die auftauchenden Gegner möglichst schnell und gezielt auszuschalten.

Das Spiel steigert sich hinsichtlich der Schwierigkeit, sodass kein Frust beim Spielen aufkommt. Nach dem Durchspielen des Story-Modus wird ein „Uncut-Modus“ freigeschaltet, der dieselben Locations aus dem Story-Modus wieder aufnimmt und insgesamt mehr Schauplätze und härtere Gegner liefert.

Die Gegner sind, wie oben schon erwähnt, hauptsächlich Zombies in jeder Form, Geschlecht und Gewichtsklasse. Diese sind extrem vielfältig aufgestellt. Ich schätze, dass es mindestens 30 verschiedene Gegner-Typen gibt. Das bekommt nicht mal „Resident Evil 7“ hin. Langeweile hinsichtlich der Abwechslung kommt somit nicht auf. Die Gegner sind realistisch animiert und können mit der Waffe in alle Extremitäten geschossen werden und reagieren hierauf dementsprechend; schießt man einem Gegner ins Bein, wird dieser zu Boden fallen. Schießt man einem in Kopf, zerplatzt dieser.

Weiterhin bietet das Spiel die Möglichkeit, durch das Erreichen von Highscores und diversen „Goodies“, die man in den Missionen sammeln kann, Geld zu verdienen und damit seine Waffen aufzurüsten und/oder neue zu kaufen. Dieses Prinzip ist enorm motivierend und verleiht dem Spiel, trotz seiner relativ kurzen Spielzeit einen enormen Wieder-Spiel-Wert.

5. Die Zensur

THOTD OK ist unzensiert. In Deutschland ist das Spiel indiziert, was angesichts der Story, die oberflächlich betrachtet gerne auch mal falsch verstanden werden kann, als auch durch das systematische Zerlegen der Gegner ein Stück weit nachvollziehbar ist.

Hierzu sei noch erwähnt, dass es Lightgun-Shooter in Deutschland noch nie einfach gehabt haben, was durch die Technik einer physisch realen Waffe sich nochmal eine Stufe über den Ego-Shootern bewegt, vollkommen erklärbar ist. Auch die ersten „The House of the Dead“-Teile waren zeitweise indiziert.

Wer das Spiel haben möchte, muss also zur UK-Fassung greifen.

6. Das Fazit

Ich bin im 7. Spiele-Himmel. Ich habe seit der VR-Brille der PS4 und den Shootern „Until Dawn: Bloodrush“ und „DOOM VfR“ nicht mehr so einen Spaß beim Zocken gehabt. Mal abgesehen von meinen ersten Erfahrungen mit Lightgun-Shootern (siehe oben, wer den Passus übersprungen haben sollte) bin ich durch THOTD OK sofort wieder in meiner Jugend gelandet.

Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass man sich allein für dieses Spiel eine gebrauchte „Wii“ kaufen kann, um dieses Spiel zu erfahren. Wobei noch zu erwähnen ist, dass es die beiden ersten Teile als Remake ebenfalls für die „Wii“ gibt. Diese habe ich mir auch zugelegt und werde sie bei Gelegenheit ebenfalls vorstellen. Weiterhin lohnt sich die Anschaffung einer „Wii“ auch für solche Spieler, die ebenfalls dem Lightgun-Genre verfallen sind und keinen unnötigen Stress mit dem Aufbau alter Konsolen und der Anschaffung eines Röhren-Fernsehers haben möchten.

THOTD OK ist fordernd, grafisch für damalige Verhältnisse sehr gut geraten, lädt immer wieder zum Spielen ein und bietet einen bissig-ironisch-satirischen Story-Modus, der jedem Film-Fan das Herz öffnen wird. Wer 100 Euro übrig hat und sich noch keine PS5 oder XBOX X leisten kann oder möchte, sollte allein für dieses Spiel über eine Anschaffung nachdenken.

Vielleicht habe ich auch ein wenig zu sehr durch die rosa-rote Retro-Brille geschaut. Jeder Spieler, der mit dem Lightgun-Genre warm geworden ist, wird dieses Spiel lieben. Nicht umsonst hat das Spiel damals Höchstwertungen bei den einschlägigen Medien-Kritikern geerntet.

Ich bin mal weg und zocke noch `ne Runde.

9/10

The House of the Dead: Overkill: Review von Man Behind The Sun (Schnittberichte.com) (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Van Hayes

Last Updated:

Views: 6339

Rating: 4.6 / 5 (66 voted)

Reviews: 89% of readers found this page helpful

Author information

Name: Van Hayes

Birthday: 1994-06-07

Address: 2004 Kling Rapid, New Destiny, MT 64658-2367

Phone: +512425013758

Job: National Farming Director

Hobby: Reading, Polo, Genealogy, amateur radio, Scouting, Stand-up comedy, Cryptography

Introduction: My name is Van Hayes, I am a thankful, friendly, smiling, calm, powerful, fine, enthusiastic person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.